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Freitag, 7. März 2014

Reckwitz - Ökonomisches Management & Creative Industries

Monkey Helpers
"We are a non-profit organization that helps adults with spinal cord injuries and other mobility impairments live more independent and engaged lives. We do this by providing them, free of charge, with a unique service animal: a highly trained capuchin monkey to help with their daily tasks. The only organization of our kind, we raise and train these special service animals, carefully match them with appropriate recipients across the nation, and provide active support and care for the duration of each placement." http://www.monkeyhelpers.org
 

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Microsklaven, Douglas Coupland, 1995
Microsklaven handelt von einer Handvoll Computerspezialisten, die im Herbst 1993 zunächst im von Bill Gates geleiteten Konzern Microsoft arbeiten, dann aber zum Teil freiwillig diesen Konzern verlassen, aber sich erneut eine Arbeitswelt schaffen, die ähnliche Elemente aufweist. Der Roman thematisiert die Arbeitswelt der in dieser Industrie Beschäftigten vor der Vermarktung von Windows 95 und weist auch auf das Aufkommen des Internets hin. Erzählt wird die Handlung in Form von Tagebucheinträgen, die der Erzähler Daniel auf einem Apple PowerBook festhält. Wegen der Formatierung sowie der Nutzung von Emoticons und der Erzählform ähnelt der Roman einem Blogformat, wie sie etwa ein Jahrzehnt später üblich wurden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Microsklaven

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Reckwitz. Historischer Hintergrund: Prozess der Industrialisierung, Veränderung des Zusammenhangs Leben-Arbeit, Lohnarbeit abgekoppelt von dem was benötigt wird. Neu Arbeitsteilung, Angebotswirtschaft.
Industriellen Produktionsweisen führt zu neuem Verständnis von Arbeit, Industrie als durchkalkulierte Maschine.
Arbeitsrechte, gesundheitliche Aspekte, monetäre Aspekte.
Marx: Entfremdung, Kritik am Kapitalismus (Politisches Programm)
Max Weber: Rationalisierung (frei von Kritik, nur Analyse), Entzauberung der Welt

Innovation und Ästhetisierung müssen nicht zusammengehen, Wissen der Arbeiter nutzen, Motivation, moralischer Zwang. Creative Industries als Lösung für das Motivationsproblem.

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Der Siegeszug der Kreativität – zum Aufstieg der ästhetischen Ökonomie  
/ von Andreas Reckwitz
Quelle: http://earnestalgernon.de/node/238


Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich einer Kulturtheorie der Moderne, sein neuestes Buch „Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung“ ist 2012 im Suhrkamp Verlag erschienen. Er ist Mitglied des Beirats „Wissenschaft und Zeitgeschehen“ des Goethe Instituts und lebt in Berlin.
Es ist merkwürdig. Keine Gesellschaft kultiviert Kritik und Selbstkritik derart intensiv wie die moderne, westliche. Aber auch diese Gesellschaft pflegt ihre Tabus, die Tabus reiner Positivität: Es gibt kulturelle Ideale, die offenbar nicht anders zu denken sind als positiv und für jeden und alles uneingeschränkt erstrebenswert. Eines der wichtigsten dieser anscheinend unstrittigen Modelle ist das menschliche Streben nach Kreativität.
Auch wenn der Begriff Kreativität mittlerweile durch seine inflationäre Verwendung ein wenig schal geworden sein mag, die Idee dahinter bezeichnet in der ­Gegenwartskultur mit ungebrochener Intensität ein Identifikationsobjekt erster Güte. Verbreitet ist es, von einer Polarität zwischen Routine und Kreativität auszugehen: Wer beklagt nicht, in der Routine zu versinken, und fordert, der Kreativität müsse Raum gegeben werden – im Beruf und in der Freizeit, im Privatleben, ja in der gesamten Biografie? Wer erwartet nicht von der Wirtschaft, der Politik, der Stadtentwicklung kreativer zu sein?

Der Wandel der Pole
Diese alte, romantische Polarisierung zwischen dem Individuum, das nach Art des Künstlers schöpferisch sein will, und einer modernen, zugerüsteten Gesellschaft, die dieses verwehrt, ist jedoch längst anachronistisch geworden. Die Opposition zwischen Bohème und Bürgertum, zwischen Counter Culture und saturierter Mittelklasse trifft spätestens seit den Neunzigerjahren nicht mehr die Struktur der westlichen Gesellschaften. Das Ideal der Kreativität ist nämlich schon längst in den Institutionen selbst angekommen und hat sich in einen Anforderungskatalog verwandelt, der vom Individuum geradezu fordert, kreativ zu sein. Kreativität hat damit eine paradoxe Doppelstruktur erhalten: Das Individuum will und es soll kreativ sein. Es lohnt sich, diese bemerkenswerte Entwicklung genauer unter die Lupe zu nehmen. Es ist nicht verwunderlich, dass hierbei dem Strukturwandel der Öko­nomie im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle zukommt.

Das produktivistische Ethos
Eine solche Frage überhaupt zu stellen, setzt allerdings voraus, Kreativität nicht mehr zu einer Universalie des Menschseins – oder gar der Natur oder des Universums – zu verklären. Kreativität ist vielmehr als etwas durch und durch Historisches und Gesellschaftliches, als etwas Gemachtes zu begreifen. Natürlich: Die menschliche Praxis changiert ständig zwischen der Wiederholung des Immergleichen und dem überraschenden Durchbrechen von Routinen, sie ist ein ständiges Werden und Vergehen. Aber das ist noch nicht Kreativität im modernen Sinne. Kreativität bezeichnet vielmehr ein voraussetzungsreicheres Phänomen: ­Gemeint ist hiermit die aktive Produktion von Neuem. Sie enthält gewissermaßen ein produktivistisches Ethos (am Anfang war die Schöpfung noch mit Gott assoziiert). Der Produktivismus des Kreativen ist im modernen Verständnis dabei immer zugleich auf ein neugieriges Publikum angewiesen, auf die Anderen, die ebenso an diesem Neuen interessiert sind. Kreative Produzenten und ein an Kreativität, das heißt an neuen ­Produkten und Ereignissen orientiertes Publikum ­hängen somit untrennbar zusammen.
Nun zieht die moderne Gesellschaft in ihren Strukturen von Anfang an ganz generell das Neue gegenüber dem Alten vor, den Fortschritt gegenüber der Tradition, etwa in der Technologie, in der Wissenschaft und der Politik. Aber mit Kreativität ist noch mehr gemeint: Hier geht es nicht mehr allein um technische Innovationen, sondern um kulturelle und ästhetische Kreationen. Das Modell der Kreativität ist seit 1800 nämlich untrennbar mit dem Ideal des Künstlers und des Ästhetischen verbunden: Die kreativen Akte setzen etwas Originelles und Überraschendes in die Welt, für das sich das Publikum begeistert. Es geht nicht mehr nur um technische Erfindungen, sondern um neue Symbole, Zeichen und Wahrnehmungsofferten, die dem Publikum eine neue Welt erschließen und daher – jenseits von pragmatischem Nutzen – um ihrer selbst willen genossen werden.

Erste und Zweite Moderne
Die Bedingungen, unter denen Kreativität in diesem Sinne strukturbildend wirken kann, haben sich vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart jedoch entscheidend gewandelt. Die klassisch-moderne Gesellschaft, die Erste Moderne war industriegesellschaflich geprägt. Der Bereich, in dem kulturelle und ästhetische Kreationen florieren konnten, war im wesentlichen auf die Kunst beschränkt (was nicht nur Bildende Kunst, auch Musik, Literatur und Theater einschließt). Die industriegesellschaftliche Moderne setzte auf die Massen­produktion der gleichen Güter. Auch die Arbeitsformen dieser Industriemoderne sind im Kern solche der Routine und Wiederholung, der strikten Arbeitsteilung in der hierarchischen Matrix-Organisation. Lediglich die Abteilungen für Forschung und Entwicklung machten hier eine Ausnahme, in denen, getrennt vom Routinemodus der Organisation, an technischen Innovationen gearbeitet wurde. Es ist dieses industrielle Arbeiten, das von Arbeitern und Angestellten jedoch potenziell als entfremdend empfunden wurde, als Quelle von Demotivation. Vor diesem Hintergrund konnte bis weit in die Nachkriegszeit hinein die Kunst eine Art Gegenmodell zum Mainstream des wirtschaftlichen Rationalismus liefern: Die Kunst nämlich setzt schon seit ihrer Institutionalisierung um 1800 auf Originalität statt auf ­Regelproduktion. Von Malerei, Theater- und Musikstücken sowie Romanen erwartete das bürgerliche Publikum immer neue kulturelle und ästhetische Kreationen, die überraschende Perspektiven entwickeln. Die Künstlerbohème erscheint als soziale Nische eines – freilich ungesicherten – Reiches der kreativen Freiheit jenseits des Reiches der Notwendigkeit, das immer neue, noch radikalere Avantgarden aus sich heraus hervorbringt.

Strukturwandel in der Zweiten Moderne
Man kann es nicht genug betonen: Diese Polarität zwischen Industriegesellschaft und Kunst ist seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts zusammengebrochen. Mittlerweile wird auch in der Ökonomie in großem Stil das hervorgebracht, was zuvor den Künsten und Künstlern vorbehalten war: kulturelle und ästhetische Kreationen. Und jene kreative Arbeit am Originellen und Überraschenden, die für Künstler typisch war, ist zu einem Strukturmerkmal immer größerer Segmente der postmodernen Ökonomie geworden. Die Zweite Moderne ist daher eine des kulturellen und ästhetischen Kapitalismus. Die sogenannten Creative Industries machen dabei nur die Spitze des Eisberges aus. Wie lässt sich dieser Strukturwandel erklären?
Schaut man genauer hin, stellt sich heraus, dass diese Transformation der Wirtschaft von der Industriegesellschaft in Richtung einer Innovations- und Kreativökonomie sich schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts angebahnt hat. Entscheidend ist, dass sich dabei zwei ursprünglich getrennte Entwicklungsstränge seit 1980 miteinander verzahnt haben: die Innovationsorientierung des Managements und der Bedeutungsgewinn der klassischen Kreativ­industrien. Auf der einen Seite kann man seit den Fünfzigerjahren einen allmählichen Bewusstseins­wandel des Managements beobachten, der das Routinemodell des industriegesellschaftlichen Betriebs in Frage stellt. Bahnbrechend für diese Transformation des Managementdenkens war Tom Burns und George Stalkers 1961 veröffentlichtes Buch „The Management of Innovation“. Burns und Stalker stellen dar, dass das alte mechanische Management von einer stabilen, unveränderlichen Umwelt der Organisation ausging. Dies erscheint jedoch für immer mehr Bereiche unrealistisch: Die Umwelt der Betriebe ist hochgradig beweglich und voller Veränderungen, etwa hinsichtlich der Wünsche der Konsumenten. Eine solche dynamische und unberechenbare Umwelt ­erfordert vielmehr Betriebe, für die ebenfalls Selbstveränderung zum Normalfall wird: Innovationen auf der Ebene neuer Produkte und verbesserter Organisationsabläufe. Burns und Stalker initiieren damit die breite Bewegung einer Innovationsökonomie, die vom Erfordernis permanenter Innovation ausgeht. Es ist interessant, dass zur Entwicklung der Innovations­ökonomie ein anderer Impuls im Managementdiskurs parallel läuft: die Entdeckung der intrinsischen Motivationsquelle der Mitarbeiter. Diesen Gedanken bringt erstmals Chris Argyris 1957 in „Personality and Organization“ auf den Punkt: Ein produktives Unternehmen ist auf motivierte Mitarbeiter angewiesen, aber eine Reduktion dieser Motivation auf Vergütung und Status greift zu kurz. Vielmehr wird den Individuen bei Argyris, der hier Postulate der zeitgenössischen Psychologie des Selbstwachstums verarbeitet, eine natürliche Tendenz zugeschrieben, nach immer neuen Herausforderungen zu suchen. Argyris präsentiert damit das innovationsfreudige Individuum als Pendant zur innovativen Organisation.

Der Relevanzgewinn der Kreativbranchen
Permanente Innovation, die zudem auf die innovativen Interessen der Mitarbeiter setzt, sickert damit seit den Siebzigern ins Strukturmodell des zeitgemäßen ­Managements ein. Allerdings: Innovation ist noch nicht Kreation. Innovationsorientierung setzt zunächst auf neue Technologien und ist damit noch der industriegesellschaftlichen Logik verhaftet. Damit der Siegeszug der Kreativökonomie beginnen konnte, war noch eine zweite Entwicklung nötig: der radikale Relevanzgewinn der Kreativbranchen für die Ökonomie insgesamt, die eng mit der Konsumentenrevolution der Siebzigerjahre zusammenhängt. Als die drei ältesten und wirkungsmächtigsten Kreativbranchen kann man die Mode, die Werbung und das Design identifizieren. Alle drei existierten schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – aber lediglich als Nischen am Rand des industriegesellschaftlichen Mainstreams. Dies änderte sich seit den Sechzigerjahren tiefgreifend: Die Modebranche erlebt mit der Entdeckung der ­Jugend und der Pluralisierung der Stile für Frauen und Männer eine ästhetische Selbstentfesselung. Die Werbung versteht sich seit Bill Bernbachs Doyle Dane Bernbach Agency (DDA) selbstbewusst als Ort der Kreativen, die nach neuen symbolischen und ästhetischen Strategien suchen, um den Erlebniswert von Produkten zu demonstrieren. Und das Design richtet sein Interesse auf mehr und mehr Produkte und Erfahrungen, bis am Ende der Designwert von einer bloße Oberflächenzutat zum Kern vieler Produkte und Dienstleistungen geworden ist. Mode, Werbung und Design haben sich entsprechend von der Peripherie ins Zentrum der zeitgenössischen Ökonomie verschoben, sie erscheinen als Leitbranchen einer post­modernen Wirtschaft. Dass sie einen derartigen Aufschwung erleben konnten, setzte einen radikalen Wandel der Konsumentenwünsche voraus: Mit der Kulturrevolution der Jugendkulturen der Sixties, anschließend jedoch auf breiter Front in den westlichen Mittel-, Ober- und Unterschichten hat sich ein Konsum verbreitet, der im Kern weniger nach Technik, sondern nach Kultur fragt, nach befriedigenden Erlebnissen im Umgang mit kulturellen Objekten: ob in der Musik oder in der Gastronomie, in der Bekleidung oder der Inneneinrichtung, ob im Tourismus oder der Gestaltung des eigenen Körpers. Nachgefragt wird damit überall die kreative Produktion.

Die Symbiose von Innovationsökonomie und Kreativökonomie
In der Gegenwartsökonomie sind damit Innovations­ökonomie und Kreativökonomie in weiten Teilen eine Symbiose eingegangen. Der kulturell-ästhetische ­Kapitalismus setzt auf permanente Innovation und zugleich auf immer neue Produkte mit kulturellem und ästhetischem Reiz. Selbst ehemals rein technische Waren wie Computer oder Automobile versprechen einen sinnlichen Erlebniswert, den der Konsument von ihnen verlangt. Das Managementmodell der Design­ökonomie, wie sie beispielhaft die US-amerikanische Agentur IDEO formuliert, verdeutlicht diese Symbiose aus Innovations- und Kreativökonomie in schlagender Weise. Das Management by Design, wie es Tim Brown in „Change by Design. How design thinking tranforms organizations and inspires innovation“ oder Tom Kelley in „The Art of Innovation. Lessons in Creativity from IDEO“ vertreten, setzt nicht nur auf permanente Innovation, sondern auf die Ästhetisierbarkeit jeder Ware. Am Ende lautet das Ziel jedes Unternehmens: designing new experiences. Es ist nicht überraschend, dass Rob Austin und Lee Davin in „Artful making. What managers need to know about how artists work“ entsprechend die kollektive künstlerische Arbeit als vorbildlich für die Projektarbeit in der nach-industriegesellschaftlichen Ökonomie preisen können.

Umweltproblem und Motivationsproblem gelöst?
Der ästhetische Kapitalismus der Gegenwart scheint damit beide zentralen Probleme der industriegesellschaftlichen Ökonomie gelöst zu haben: das Motivations- und das Problem der sich wandelnden Umwelt. Das alte Motivationsproblem bestand in der Unlust der Mitarbeiter an stupider Routinetätigkeit. Die kreative Arbeit liefert darauf eine Antwort. Das alte Umweltproblem bestand darin, dass die Betriebe, die im Routinemodus funktionierten, nur mangelhaft in der Lage waren, auf ihre veränderliche Umwelt zu reagieren, insbesondere auf die Konsumentenwünsche, die immer fluider geworden sind. Die Produktion immer neuer ästhetisch-kultureller Güter mit Erlebniswert als Kerngeschäft der Unternehmen liefert auch darauf eine Antwort. Sind damit alle Probleme gelöst? Geht es nurmehr darum, dass immer breitere Segmente des globalen Wirtschaftens sich der Logik der Innovations- und Kreativökonomie anschließen? In mancher Hinsicht kann man die Frage mit Ja beantworten. Die Kreativ-­ und Innovationsökonomie ist ein enormer globaler Wachstumsmarkt. Ein schlagendes Beispiel ist der globale Tourismus mit allen seinen assoziierten Geschäftszweigen wie der Gastronomie, den Wellnessangeboten und den Kulturevents.

Überdruss am ästhetischen Kapitalismus
Allerdings lassen sich ebenso die Signale einer gewissen Erschöpfung und Überdehnung der Innovations- und Kreativökonomie nicht übersehen. Warum dies so ist, ist nicht schwer zu verstehen: Der ästhetische Kapitalismus hat ein Nachhaltigkeitsproblem. Nur riskiert der Begriff der Nachhaltigkeit durch seine inflationäre Verwendung mittlerweile ebenso schal zu werden wie der Kreativitätsbegriff. Aber das reale Problem verschwindet dadurch nicht: Das Nachhaltigkeitsproblem ist vielschichtig. Zum einen betrifft es natürlich die übermäßige Vernutzung von Rohstoffen, die gerade die ästhetische Ökonomie mit ihren Novitätszyklen von immer neuen Produkten und immer neuen Erlebnissen, die beide rasch veralten, voran­treibt. Mangelnde Nachhaltigkeit ergibt sich jedoch auch im Verschleiß der psychischen Ressourcen der Mitarbeiter wie der Konsumenten: Wollen die Konsumenten wirklich immer neuen ästhetischen Erlebniskreationen ausgesetzt sein? Tatsächlich gibt es Anzeichen von Gegenbewegungen: Diverse Phänomene wie die Slow-Food-Bewegung, die Attraktivität werthaltigen Alltagsdesigns (Manufactum etc.) oder das Urban Gardening in Eigenregie verweisen darauf, dass gerade in den tonangebenden urbanen Mittelschichten Zeit und Geld mittlerweile lieber in Aktivitäten und Produkte gesteckt werden, die sich den kreativen Novitätszyklen entziehen.

Drei Wege aus dem drohenden Kreativinfarkt
Ein Lob der Langsamkeit und des Verzichts also? Ein drohender Kreativinfarkt? Man kann sich bereits vorstellen, dass die Reaktion skeptisch ist: Denn setzt der Kapitalismus nicht zwangsläufig auf das Neue? Ist die schöpferische Zerstörung in Permanenz und ausgedehnt auf die unerschöpfliche Ressource der ästhetischen und kulturellen Wünsche nicht Ergebnis einer konsequenten Entwicklung und ökonomisch so alternativlos wie die Wachstumslogik? Alternativlosigkeit ist wahrscheinlich selten eine plausible Antwort. Vor allem gilt es, zwei Tendenzen voneinander zu unterscheiden, die in der Innovations- und Kreativökonomie eine nur scheinbar eherne Verbindung eingehen: die Ästhetisierung der Ökonomie und die Orientierung am immer wieder Neuen für ein Publikum. Dass die Ökonomie in den letzten Jahrzehnten über nützliche Produkte hinaus zunehmend auf Produkte und Erlebnisse setzt, die kulturell interessant und sinnlich-ästhetisch befriedigend sind, erscheint tatsächlich ebenso nachvollziehbar wie zwingend. Man muss gar nicht Maslows Bedürfnis­hierarchie mit seiner These einer Verschiebung von den materialistischen zu den postmaterialistischen Werten ­zitieren, um zu verstehen, wie sich die Interessen der Konsumenten immer mehr in diese Richtung verändert haben. Aber: Die ästhetische Ökonomie muss nicht zwangsläufig am immer Neuen für alle und in jedem ­Moment orientiert sein und könnte trotzdem die gleiche Quantität an Wert produzieren. Mehrere Wege einer solchen ästhetischen Ökonomie jenseits des Novitätszwangs bieten sich an: Man kann billige Gebrauchsgüter durch wertvollere, langlebige oder kulturell und ästhetisch befriedigendere Produkte ersetzen. Das ist die Manufactum-Strategie, aber auch die des Slow-Food. Man kann überhaupt statt auf Güter, die immer irgendwann verschleißen, auf Dienstleistungen setzen, die sich wiederholen und für die Individuen Entlastung oder Befriedigung versprechen. Das, was Shoshana Zubroff die Zukunftsträchtigkeit einer „Support Economy“ nennt, weist in diese Richtung.
Eine dritte Strategie schließlich, die die beiden anderen in sich vereinigt, setzt auf ein Produkt oder eine Leistung, das oder die auf den individuellen Konsumenten als Nutzer zugeschnitten ist: das individuell geschneiderte Kleidungsstück, das individuell gefertigte Möbelstück, die individuell konzipierte Coaching-Therapie, das individuell entworfene Haus. Man kann hier von einer Einzelstück-Ökonomie sprechen. Hier ist jedes Produkt und jede Leistung eine kreative Produktion, die individuelle Anpassung eines bewährten Produkts oder einer bewährten Leistung an den einzelnen Nutzer. Der Kreative ähnelt hier weniger dem Avantgarde-Künstler als dem Handwerker-Künstler. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Einzelstück-Ökonomie nicht auf rasche Selbstveralterung, sondern auf Nachhaltigkeit setzt. Sie richtet sich nicht am Neuen um des Neuen willen aus, sondern am passgenauen relativ Neuen, das dann dauerhaft oder wiederholt genutzt werden kann. Sie verspricht gleichzeitig, für den Produzenten profitabel und den Konsumenten befriedigend zu sein. Sie wendet sich nicht mehr an ein anonymes neugieriges Publikum, sondern an den einzelnen, individuellen Nutzer mit seinen einzigartigen Bedürfnissen, mit dem es zu kooperieren gilt.

Nachhaltigkeit und Kreativökonomie
Nachhaltigkeit und Kreativökonomie müssen einander daher keineswegs widersprechen, es kommt eher darauf an, in welchem Rahmen genau Kreativität genutzt wird. Die ästhetische Ökonomie, so wie wir sie kennen, ist daher nicht das Ende der Geschichte. Sie wird sicherlich nicht in die alte industriegesellschaftliche Logik zurückfallen, aber womöglich bald einen weiteren Reifungsprozess erfahren. Man wird gespannt sein dürfen, wie die Kreativ- und Innovationsökonomie mit dem Nachhaltigkeitsproblem und den erneut sich verändernden Konsumentenwünschen umgehen wird.