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Donnerstag, 27. Februar 2014

Ludwik Fleck - Denkkollektiv und Denkstil

Text: Ludwik Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache, Suhrkamp 1980
Weitere Bemerkungen über das Denkkollektiv

Fleck verband wissenschaftliches und philosophisches Denken, einzelwissenschaftliche Analyse und allgemeine Wissenschaftstheorie. Er entwickelte in seinem Hauptwerk Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache die Begriffe Denkstil und Denkkollektiv. Der Begriff des Denkstils wurde in der Wissenschaftstheorie von Thomas Kuhn in Form des Paradigmas wieder aufgegriffen. Die Idee, die Fleck mit dem Konzept des Denkkollektivs verband, findet sich in Kuhns Konzeption der Normalwissenschaft.
Denkkollektiv
Erkenntnis ist nach Ansicht Flecks ein soziales Phänomen und daher nicht als eine zweiseitige Relation zwischen Subjekt und Objekt zu verstehen. Vielmehr müsse als dritter Faktor im Erkenntnisprozess das Denkkollektiv eingeführt werden, das „als Gemeinschaft der Menschen, die im Gedankenaustausch oder in gedanklicher Wechselwirkung stehen“ definiert wird. In diesem Sinne sei das Denkkollektiv der „Träger geschichtlicher Entwicklung eines Denkgebietes, eines bestimmten Wissensbestandes und Kulturstandes, also eines besonderen Denkstils.

Denkstil
Das Denkkollektiv wird durch einen Denkstil zusammengehalten, der von Fleck als „gerichtetes Wahrnehmen, mit entsprechendem gedanklichen und sachlichen Verarbeiten des Wahrgenommenen“ definiert wird.[25] Der Denkstil lege fest, was innerhalb des Kollektivs als wissenschaftliches Problem, evidentes Urteil oder angemessene Methode gelte. Auch was als Wahrheit gelte, könne nur in der stilgemäßen Auflösung von Problemen bestimmt werden:
„Solche stilgemäße Auflösung, nur singular möglich, heißt Wahrheit. Sie ist nicht »relativ« oder gar »subjektiv« im populären Sinne des Wortes. Sie ist immer oder fast immer, innerhalb eines Denkstils, vollständig determiniert. Man kann nie sagen, derselbe Gedanke sei für A wahr und für B falsch. Gehören A und B demselben Denkkollektive an, dann ist der Gedanke für beide entweder wahr oder falsch. Gehören sie aber verschiedenen Denkkollektiven an, so ist es eben nicht derselbe Gedanke, da er für einen von ihnen unklar sein muß oder von ihm anders verstanden wird.“ – Ludwik Fleck

Source: http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwik_Fleck