Grundstruktur des Kreativitätsdispositivs
Regime des Neuen + Verknüpfung des Ästhetischen mit dem Ethos der Produktion
-> Umfeld des Marktes, des KOnsums
getrieben von innerer Kraft + äusserer Kraft
= Planung, Institutionalisierung und Materialisierung: Erbauung der CREATIV CITIES (Politische und gesellschaftliche Verortung der Kunst / Musik durch den Begriff: Kreativitätswirtschaft
bürgerliche Moderne, organisierte Moderne
Kreativitätsdispositivs sind aus Gefühlsmangel entstanden.
Das neue Regime der Originalität
Wir müssen kreativ sein
Der Künstler ist zum Rollenmodell der Spätmoderne geworden:
Nichts wäre absurder, als heute unkreativ sein zu wollen. Doch der Zwang
zur Originalität überfordert viele.
"Seit den siebziger Jahren hat die Zahl der Angehörigen der kreativen
Berufe im weitesten Sinne – von den Medien bis zum Tourismus, vom Design
bis zur Softwareentwicklung – deutlich zugenommen.
Studiert man
intensiver den Strukturwandel der globalen Ökonomie, der Medien und
ihrer digitalen Revolution, des Kunstmarkts, der Stadtentwicklung und
den Wertewandel in den Mittelschichten in den letzten beiden
Jahrzehnten, kristallisiert sich jedoch eine noch radikalere Einsicht
heraus. Zentrale Segmente der westlichen Gegenwartsgesellschaften lassen
sich mittlerweile von den Regeln eines Kreativitätsdispositivs, eines
kreativ-ästhetischen Komplexes leiten. Das meint viel mehr als die
Aussage, dass heutzutage „alle kreativ sein wollen“, und geht über die
„Creative class“ hinaus.
So folgen die westlichen Großstädte
zwischen Seattle und Amsterdam zunehmend dem Ideal einer Ästhetisierung.
Im Kern setzen sie auf „Kultur“, auf die Produktion immer neuer urbaner
Erfahrungen in Erlebnisstadtvierteln, spektakulärer Architektur und
Kulturevents. Die digitalen Medien wiederum sind – weit entfernt vom
passiven Coach potato – auf den kreativen Nutzer angewiesen. Der
inszeniert sich in den sozialen Medien immer wieder selbst neu als
ausdrucksstarke Persönlichkeit und sucht zugleich den Computer und das
Netz nach immer neuen sinnlichen und emotionalen Reizen ab. Derweil
werden die Medien nicht müde, anstelle von Politik- oder
Wirtschaftslenkern Kreativstars zwischen Film und Musik, Design und
Kunst als attraktive Vorbilder zu präsentieren.
[...]
Kreativitätsdispositiv meint, dass sich heute große Teile der
sozialen Welt von einem Regime des ästhetisch Neuen anleiten lassen. Nun
ist es charakteristisch für die moderne Gesellschaft, dass sie generell
das Neue auf Kosten des Alten prämiert. Die moderne Orientierung am
Neuen war lange gleichbedeutend mit einer Ausrichtung an politischen
Revolutionen, an der technologischen Entwicklung und der Emanzipation
des Individuums.
Aber das Regime des ästhetisch Neuen der
Gegenwart ist anders aufgebaut. Hier geht es nicht um Fortschritt in
Politik oder Technik, sondern um immer neue sinnliche und emotionale
Reize um ihrer selbst willen, die hergestellt und genossen werden
wollen. Kunstevents und urbane Erlebnisse gehören dazu, Designprodukte
und Blogerzählungen, private „Quality time“ und touristische
Erfahrungen.
Tritt man historisch einen Schritt zurück, dann war eine Ausrichtung der
Gesellschaft am Zyklus des ästhetisch Neuen und am Ideal der
Kreativität höchst unwahrscheinlich. Max Weber
hat die moderne Gesellschaft mit einer scheinbar unauflösbaren Struktur
der Rationalisierung gleichgesetzt. Die Moderne basiert auf Regeln der
Berechenbarkeit und Effizienz, ob in der Wirtschaft, im Staat oder in
der Wissenschaft. Der entsprechende Sozialcharakter strebt nach Leistung
und Erfolg. Inmitten einer derart durchrationalisierten Moderne
erschien die Kunst als wichtigster Gegenort: als ein Refugium für die
Utopien des Schöpferischen. Der Künstler war ein Anti-Typ zum Bürger und
Angestellten."
Quelle: Artikel in Tagespiegel.de